Diese wahre Begebenheit. hat sich an einem Herbstabend des Jahres 1892 unweit von Roth am so genannten „Rotlauf “ ereignet und kann von verschiedenen Rother Bürgern, die die Sache miterlebt haben, bezeugt werden. Die Geschichte war noch jahrzehntelang ein beliebter, immer wieder kehrender Gesprächsgegenstand für die Spinnstuben der benachbarten Dörfer. Der „Verfasser erinnert sich aus seiner Kindheit noch gut des geheimen Grauens, das ihn überkam, wenn er bei Dunkelheit vom Besuch des Onkels in Roth zurückkehrend, die Hände der Eltern fester fassend, den Ort passierte, „wu der Jent geschlaa wouwer“ (geschlagen wurde).
In den Jahren nach Beendigung des deutsch-französischen Krieges bis zur Jahrhundertwende fuhren allwöchentIich aus den Orten Ober- und Niedereisenhausen, Hommertshausen, Steinperf und anderen die sogenannten Butterleute“ in langen Kolonnen von kleinen mit Pferden bespannten Planwagen ins Siegerland, um ihre Butter an die festen Kunden in Siegen und Umgebung abzusetzen. An dem Unglückstag hatte der über 60jährige Buttermann Jent aus Steinperf durch irgend eine geschäftliche Abhaltung den Anschluß auf dem Rüdweg von Siegen nach Hause verpaßt und mußte daher allein hinter dem Troß herfahren.

Wie alle Fuhrleute jener Zeit, so hatten auch die Butterleute ihre bestimmten Gasthäuser, in denen regelmäßig eingekehrt und ausgespannt wurde. Dies geschah in Ewersbach beim Annlies“, einem Gasthaus, welches unterhalb der jetzigen Gastwirtschaft  Wickel (zwei Häuser unterhalb der Einmündung Jahnstraße in die Hauptstraße, ist aber heute auch keine Gaststätte mehr) stand u nd später abgerissen wurde.

Hier hatte Jent, wie immer, kurz gerastet und fuhr  nun wegen der Verspätung in ziemlich flottem Tempo weiter, um am Hammerweiher vorbei nach Roth zu gelangen, wo dann den Pferden zuliebe bei dem Gastwirt Joedt nochmal kurz gerastet wurde, um dann bis ins Heimatdorf durchzufahren. Am Hammerweiher, wo ein Mann aus F., den er ein Stück Weges mitgenommen hatte, abstieg, bemerkte er zu seinem Schrecken, daß es bereits stark zu dunkeln anfing. Als er dahin kam, wo der Wald bis an die Straße vorspringt, war es finstere Nacht. Plötzlich erhielt der ahnungslos neben dem Fuhrwerk herschreitende Mann einen solch wuchtigen Schlag auf den Kopf, daß er blutüberströmt zusammenbrach und bewußtlos liegen blieb. Nachdem der Unhold mit dem schweren Stein, den er zu seinem Schlag benutzt hatte, noch solange auf Jent eingeschlagen hatte, bis er ihn für tot hielt, raubte er ihm seine Barschaft und schlug sich in die Büsche. Das Pferdchen war unterdessen ruhig weitergetrottet und hielt, wie gewohnt, in Roth auf dem Hof des Gastwirts Joedt. Als dieser und seine Rother Stammgäste das Pferdchen ohne Jent ankommen sahen, machten sie sich sofort mit einer Sturmlaterne auf den Weg, um nach dem Fuhrmann zu sehen. Aber merkwürdigerweise bemerkten sie weder auf dem Hinweg noch später auf dem Rückweg von Ewersbach, bis wohin sie auf der Suche gegangen waren, eine Spur von dem Überfallenen.
Der folgende Teil der Geschichte beruht auf dem Augenzeugenbericht von Wilhelm Gräf, Steinbrücken (gestorben 1957), der mit seinem Onkel Wilhelm Burgmann in der fraglichen Nacht noch spät in seiner Werkstatt saß. Um Mitternacht begehrte plötzlich jemand an der Haustür Einlaß. Wilhelm Gräf sprang sofort auf, um zu öffnen. Der Anblick, der sich dem öffnenden bot, war grausig. Ein über und über mit Blut besudelter Mensch stand wimmernd in der Nacht. An der Stelle, wo die Nase sitzt, war ein Loch wie bei einem Toten verwesten, während die Haut der ehemaligen Nase in Gestalt von blutigen Hautfetzen bis zum Kinn herabhing. Jent, war nach einigen Stunden aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht und hatte halb unbewußt, den Weg zu Gräfs, die er kannte, eingeschlagen. Wilhelm Gräf eilte sofort zu dem in der Nähe wohnenden Dr. Neuschäfer, der den Verwundeten wusch und verband und Ihn – er hatte damals sein Krankenhaus noch nicht gebaut – in der Gastwirtschaft Hofmann unterbrachte, wo er bis zu seiner völligen Heilung zu Bett lag. Am anderen Morgen in aller Frühe nahm Dr. Neuschäfer zusammen mit dem Bürgermeister und dem zuständigen Gendarmen Zentgraf eine eingehende Untersuchung des Tatortes vor. Man fand eine abgebrochene Schirmkrücke, die entscheidend dazu beitrug, daß der Täter bald danach gefaßt wurde. 
Der Gendarm Zentgraf suchte in den nächsten Tagen die Gastwirtschaften der benachbarten Dörfer auf und ließ dabei wie spielend die Krücke durch die Finger gleiten. Als er dies auch in Mandeln in der Gastwirtschaft Herr (heute Marenbach) tat sprach ihn, mit einem Blick auf die Krücke der alte Herr an: “ Wie kommen Sie denn zu meiner Schirmkrücke?“ Da stellte sich heraus, daß ein aus R. gebürtiger Mann aus F. sich am Morgen des Überfalltages bei Herr wegen des einsetzenden Regens einen Schirm geliehen hatte. Auf die Rückgabe des Schirmes, die am gleichen Abend noch erfolgen sollte, hatte Herr bisher vergeblich gewartet. Auf Grund dieser Verdachtsmomente wurde der Mann verhaftet. Es war kein anderer, als der Mann, den Jent aus Gefälligkeit ein Stück des Weges auf seinem Wagen mitgenommen und am Hammerweiher abgeladen hatte. Er hatte sich inzwischen schon durch große Geldausgaben auf der Kirmes eines Nachbardorfes verdächtig gemacht. Nach einem Geständnis, wurde er zu mehrjähriger Zuchthausstrafe verurteilt, die er abgesessen hat. Heute aber noch kennt in Roth und Steinbrücken jeder Erwachsene die Stelle „vom Ellemoch (am Ellenbach) wu im veje Joahrhonnert – 1892 – der Jent geschlaa wouwer“, und auch mancher ältere Wanderer mag, wenn er in einer stürmischen Herbstnacht beim Schrei der Eulen dort vorbei kommt, den Schritt etwas beschleunigen, damit er schnell an dem unheimlichen Ort vorbei kommt.