Die Grafen von Laurenburg=Nassau erscheinen im 13. Jahrhundert im Besitz der Herborner Mark. Wie sie dazu gekommen, läßt sich mit Bestimmtheit nicht mehr ermitteln. Etwas Licht scheint die Urkunde von Graf Heinrich dem Reichen von Nassau von 1231 zu geben, in der er das Patronat der Kirche zu Herborn dem deutschen Ritterorden schenkte. Darin sagt der Graf, dass er dieses Besetzungsrecht vom Landgrafen von Thühringen habe, und dass
dieser die Kirche samt dem Patronat von dem Kaiser Heinrich VII. zu Lehen erhalten habe. Diese Belehnung muß wohl zwischen 1220 und 1230 geschehen sein, und der belehnte Thühringer Landgraf war entweder Landgraf Ludwig IV., der Gemahl der heiligen Elisabeth, oder sein Bruder Heinrich Raspe. König Heinrich, der sich durch mancherlei Schenkungen die deutschen Fürsten zu verpflichten suchte, hat damals wohl alle seine Rechte an der Herborner Mark, die demnach Königsgut gewesen sein muß, den Landgrafen geschenkt. Seit 1130 waren die Landgrafen von Thühringen auch Grafen von Hessen. Nach dem Tode des Landgrafen Heinrich Raspe 1247 hörte diese Vereinigung von Thüringen und Hessen auf, und das Lehnsrecht an der Herborner Mark blieb dann wohl bei dem näher gelegenen
Hessen. Der Landgraf von Thüringen und Hessen hätte mit dieser Schenkung die Nassauer Grafen weiterbelehnt. Diese hatten hier in der Nachbarschaft bereits bedeutende Besitzungen im Siegerland, die Haigerer Mark und die Kalenberger Zent. Wahrscheinlich ist es, dass ein Teil dieser Besitzungen, der Königsgut war, dem Laurenburg = Nassauer Grafen Ruprecht III. von Kaiser Friedrich I. Barbarossa wegen der vielen Verdienste des Grafen in des Kaisers Kriegen in der Lombardei geschenkt worden ist. Jedenfalls sehen wir zu Anfang des 13. Jahrhunderts den Grafen Heinrich den Reichen als Landesherrn in unserer Gegend.
Wie mag der alteingesessene Adel in der Herborner Mark grimmig dreingeschaut haben, als das nassauische Löwenbanner hier aufgerichtet wurde und die machtvollen Nassauer Grafen die Landesherren wurden! Als die Mark noch Königsgut war, hatten die Adligen hier ungestört schalten und walten können, und mancher fette Brocken war bei dem Sinken der kaiserlichen Macht hier für sie abgefallen. Beängstigend für sie war es auch nicht, als die
Thüringer Landgrafen die Landesherrn in der Mark wurden; sie wohnten ja weit ab und hatten wichtigeres zu tun, als sich um die kleine, weit entfernte Herborner Mark viel zu kümmern. Aber jetzt begann ein anderer Wind zu wehen, als sich die Nassauer Grafen hier in der Gegend häuslich niederließen und ihre landesherrlichen Rechte auch mit starker Hand auszuüben gewillt waren. Die Landeshoheit mit dem Adel teilen, das gab es für Graf Heinrich II. von Nassau nicht; und darum wurde er dem einheimischen Adel bald auf’s äußerste unbequem. Da der Adel auf seine mit Recht oder Unrecht errungene Herrlichkeit nicht verzichten wollte, vielmehr dem Landesherrn trotzig die Spitze bot, musste schließlich das Schwert entscheiden, wer Herr im Lande sein sollte. Und so brach die Dernbacher Fehde aus.
Über diese Dernbacher Fehde, die langwierigste, welche die Nassauer Grafen zu führen hatten, haben sich nur vereinzelte Nachrichten erhalten. Wundern kann uns das nicht; war doch die Kriegsführung der damaligen Zeit eine von der heutigen völlig verschiedene. Der Hauptzweck feindlicher Einfälle ging selten darauf aus, feste Plätze zu erobern oder den Gegner zur Schlacht zu zwingen. Das Hauptgeschäft solcher Einfälle war vielmehr Sengen und Brennen, Plündern und Rauben auf dem Land, „Nahme“ und „Brand“, wie unsere Vorfahren beschönigend die schlimme Sache nannten. War dieser Hauptzweck erreicht, dann ging es so schnell wie möglich wieder zurück, um den Raub in Sicherheit zu bringen. – Wenn sich die Herren rauften, mussten die Knechte die Haare lassen. – Die erbittersten Gegner von Graf Heinrich dem Reichen waren in der Herborner Mark die Adligen von Dernbach, die wohl mit den Kolben von Wilnsdorf, die im Siegerland gegen den Grafen kämpften, zunächst im Bunde waren. Im Anfang der Fehde soll der Sage nach die Bergfeste „Burg“ bei Herborn von dem Nassauer Grafen zerstört worden sein. Diese Feste war jedenfalls bedeutend jünger wie die alten Wasserburgen zu Dernbach und zu Bicken und war wohl zur weiteren Sicherung der nahegelegenen alten Dernbacher Stammburg gebaut. Vielleicht auch war hier der felsige
Hügel über der Dill bei Burg eine alte Gerichtsstätte der Herborner Mark, und die Dernbacher wollten so durch Befestigung der Stätte ihre „Herrschaft“, die sie zu Herborn errungen hatten, noch mehr befestigen. (Nach Burg nannte sich eine adlige Familie, die 1206 bis Ende des 14. Jahrhunderts vorkommt; sie führte im Wappen zwei gekreuzte Stäbe, die vielleicht Streitkolben vorstellen sollen). In den ersten Zeiten der Dernbacher Fehde soll auch die Burg Dillenburg, die 1255 den 15. Dezember zuerst urkundlich genannt wird, erbaut worden sein. Es wird wohl um 1240 gewesen sein, dass Graf Heinrich der Reiche durch Anlage dieser Burg sich hier in der Gegend einen festen Stützpunkt verschaffte, den seine verschiedenen Kriege wie auch die Dernbacher Fehde dringend erheischten. Mit scharfem Blick hatte er sich hierzu diesen das Tal sperrenden und beherrschenden Berg ersehen. Das Ende der Dernbacher Fehde sollten weder Graf Heinrich der Reiche noch seine Söhne erleben. Nach dem 1247 erfolgten Tode Heinrichs erbauten seine Söhne Walram und Otto, die zunächst gemeinsam regierten, wohl auch als eine Maßregel gegen die Adligen von Dernbach die Burg Herborn und erwirkten für den Ort dort 1251 Stadtrechte. Als sie dann 1255 ihre Länder teilten, wird in der Teilungsurkunde die Dernbacher Fehde zuerst urkundlich erwähnt. Nach dieser Urkunde währte der Streit mit den Adligen von Dernbach und von Wilnsdorf schon lange (discordia, que iam dudum fuerit inter dominos nostros et illos de Dorinbahc et de Willandisdorf). Des näheren wurde in der Urkunde bestimmt, dass, wenn dieser Streit der Grafen mit ihren Gegnern unter Mitwirkung des Königs oder sonst durch freundschaftliche Übereinkunft nicht beseitigt würde, Graf Walram seinem Bruder Otto bei der Bekämpfung der Gegner hilfreiche Hand leisten solle.
Auch unter dem Enkel von Graf Heinrich dem Reichen, dem Grafen Heinrich I. von Nassau=Dillenburg, dauerte die Dernbacher Fehde, wenn auch mit Unterbrechungen, noch Jahrzehnte lang fort. Sie drohte dem Nassauer Grafen um so gefährlicher zu werden, weil den Adligen von Dernbach neue Helfer im Streit erstanden. Die den Adligen von Dernbach benachbarten Herrn von Blicken vom Haincher Stamm, deren Macht keine geringe war, blieben nicht länger müßige Zuschauer in dem Kampf, zumal auch ihre in der Herborner Mark erlangten Rechte durch Nassau immer mehr bedroht wurden. Schlimmer noch für Graf Heinrich I. war es, dass auch seine Lehnsherrn, die Landgrafen von Hessen, mit in die Fehde verwickelt wurden, wie die Urkunde von 1312 Juni 26 zeigt.
Damals 1312 kam ein Vergleich zwischen dem Landgrafen Otto dem Schütz von Hessen und den Grafen Heinrich, Emich und Johann von Nassau zustande. In dem Vergleich wird von burglichen Bauten gesprochen, welche die Väter der Gegner (also Landgraf Heinrich I., der 1308 starb, und Graf Otto von Nassau) in dem Streit wegen der Herrn von Dernbach und Bicken aufgeführt hätten. Die Gegner sollten keine neuen Burgbauten aufführen anderswo,
denn ihre beiderseitigen Väter gemacht hätten.
Der erwähnte nassauische Bau wird sich auf die Erbauung der Burg Herborn beziehen. Welches war aber der hessische Bau in dieser Fehde? Darüber dürfte das Schadenregister des Landgrafen Hermann des Gelehrten, das zwischen 1377 und 1378 gegen Graf Johann von Nassau=Dillenburg aufgestellt wurde, Licht geben.
In dem Schadenregister spricht Landgraf Hermann der Gelehrte von drei hessischen Burgbauten gegen Nassau: Dernbach, bei Eisemroth und Hessenwald. Während er bei Dernbach und Hessenwald als Bauherrn seinen Ahnen und seinen Herrn und Vetter nennt (nämlich den Landgraf Otto den Schütz und seinen Mitregenten von 1320 an, Landgraf
Heinrich den Eisernen), nennt er bei dem Burgbau bei Eisemroth als Erbauer seine Ahnen und Eltern, offenbar also eine ältere Generation. Da nach dem hessen=nassau=ischenVertrag von 1312 Landgraf Heinrich I., der 1265-1308 regierte, als Erbauer einer Burg gegen Nassau genannt wird, wie wir eben gehört haben, so wird sich zweifellos auf ihn der im Schadenregister erwähnte Burgbau bei Eisemroth beziehen. In dem Schadenregister heißt es hierbei:“Item schuldigin wir den Grauen von Nassouw, daz sin aneche vnd sine aldirn vnsir anechin vnd vnsir aldryn mit vnrechtir gewalt darzcu drungin, daz sy zcu Isenborgerade mustin buwin, vnd drüngin sy dar mide zcu koystin vnd schadin hohir dan vierwerbe hundirt (viertehalb hundert = 350 thusint schill tornoss)“ Diesen Burgbau bei Eisemroth hat bereits Vogel, der ausgezeichnete Kenner nassauischer Geschichte, auf die Burg Wallenfels, die innerhalb der alten Gemarkungsgrenze von Eisemroth lag, bezogen. Wallenfels war also ursprünglich eine landgräfliche Burg, nicht die Burg eines Adligen (kommt doch auch kein adliges Geschlecht vor, das nach der Burg seinen Namen geführt hätte), und der Vater von Landgraf Otto dem Schütz, Landgraf Heinrich I. von Hessen wird es gewesen sein, der in der Dernbacher Fehde Burg Wallenfels gegen die Grafen von Nassau erbaute. Die Zeit der Erbauung wäre dann um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts, etwa um 1300 zu setzen.
Die Anlage dieser hessischen Burg Wallenfels sollte natürlich den Adligen von Bicken und von Dernbach in ihrem Kampf gegen den Grafen Heinrich I. von Nassau eine Rückendeckung sein. Nach dem 1308 erfolgten Tode des Landgrafen Heinrich wurde sein Sohn, Landgraf Otto der Schütz noch mehr in die Dernbacher Fehde hineingezogen, indem ihm die Ganerben von Dernbach, die von Nassau bedrängt offenbar keinen andern Ausweg sahen, am 9.
November 1309 ihre Burg Dernbach bei Herborn verkauften und von ihm wieder als Erbburglehn empfingen. Nach dem Kaufbrief überließen die Ganerben die Burg mit 50 ihrer Leibeignen in der Herborner Mark an Hessen, behielten sich aber ihre Kirchensätze (Patronatsrechte) vor. Hessen bestellte sie dagegen zu seinen Burgmännern zu Dernbach.
Mit dem Kaufschilling sollten die Ganerben 20 Mark jährlicher Einkünfte ankaufen und diese von Hessen zu Lehen nehmen. Der Landgraf verpflichtete sich, eine Stadt bei der Burg Dernbach anzulegen. Außerdem war von Erweiterung der Burg die Rede, worauf sich die Notiz in der Chronik des Wigand Gerstenberg bezieht: „Grave Hinrich von Nassauw was diss fursten fygent (Geind), darumbe das he das sloss Dernbach lis buwen em zuwidder“). Ferner versprach der Landgraf, die Burg nie an den Grafen von Nassau kommen zu lassen(„nos (Graf Otto und seine Gemahlin Adelheid ) obligamus, quod….Castrum in manus et possessionem Nobilium virorum de Nassovia Comitum nunquam alienabimus“).
Durch den Schutz des Landgrafen von Hessen, der die Burg Dernbach neu befestigen ließ, bekamen die Ganerben von Dernbach in ihrer Fehde gegen Nassau wieder Oberwasser. Wie günstig damals ihre Sache stand, zeigt der hessen=nassauische Vergleich von 1312.
Durch Vermittlung des Bischofs Ludwig von Münster, des Grafen Engelbert von der Mark und Werner von Wittgenstein und des königlichen Landvogts Eberhard Herr von Bruberg kam es am 26. Januar 1312 „umb allen den krieg und twieste die zuschen uns und in ist gewest von der wegen von Derenbach byss an diessen dag zu einem Vergleich zwischen dem Landgrafen Otto von Hessen und dem Grafen Heinrich I. von Nassau und dessen Brüdern Emich und Johann. Außer der schon erwähnten beiderseitigen Verpflichtung, keine weiteren Burgbauten hier aufzuführen, wurde bestimmt, dass die Nassauer Grafen die Adligen von Dernbach und von Bicken in allen Ehren und allen Rechten sitzen lassen sollten, welche diese zur Zeit des Grafen Otto von Nassau besessen hatten („das dy Greuen von Nassouwe dy von Derenbach vnd dy von Bickene sollen laissen sitzen un allen den eren und allem dem rechte als sye bey Greuen Otten von nassauwe irs vater`s getzyden gesessen han“).
Der Vergleich brachte für längere Zeit Frieden, wozu besonders auch die Zustände im deutschen Reiche in der damaligen Zeit mithalfen. Hier im Reich waren seit 1313 zwei Gegenkaiser, Ludwig der Bayer und Friedrich der Schöne von Östreich, und in deren Kampf um die Krone standen die Landgrafen von Hessen und die Grafen von Nassau auf seiten Friedrichs von Östreich.
Viele friedlichen Zeiten wussten die Nassauer Grafen klug auszunutzen, indem sie damals auf gütlichem Wege, durch Kauf, mancherlei Besitzungen hier erwarben. Am 30. September 1313 konnte Graf Johann mit einem der Ganerben von Dernbach, dem Knappen Ludwig von Hachenburg einen Vertrag abschließen, in dem ihm Ludwig von Hachenburg sein Sechsteil Recht in Herborn und in der Herborner Mark verkaufte und dafür sein Burgmann zu Dillenburg wurde und mit gewissen jährlichen Kornrenten belehnt wurde. Auf friedliche Zeiten deutet auch ein späterer Kauf von Februar 1323, in dem der Knappe Heidenrich von Dernbach dem Grafen Heinrich I. von Nassau Leibeigne zu Simmersbach verkaufte.
Bedeutend wichtiger für die Nassauer Grafen war es jedoch, dass sie sich damals im Osten und im Westen des Gerichtes Ebersbach, in dem in jenen Zeiten die Hauptmacht der Adligen von Bicken (vom Haincher Stamm) war, ankaufen konnten und so hier Stützpunkte für spätere Kämpfe gewannen. Im Westen des Gerichtes Ebersbach erwarb am 4.Mai 1313 Graf Heinrich I. von Nassau von den Brüdern Friedrich von Gottfried von dem Hain deren Burg Hainchen, und im Osten des Gerichtes erwarb er am 29. Mai 1314 von dem Ritter Eckhard von Helfenberg die Vogtei Eibelshausen. Ja am 8. Mai 1325 glückte es ihm sogar, sich in das Gericht Ebersbach einzukaufen, indem ihm ein Zweig der Adligen von Bicken, die Gebrüder Philipp, Johann und Konrad von Bicken ihren Anteil am Gericht Ebersbach veräußerten.
Was den Ausbruch neuer Feindseligkeiten zwischen den alten Gegner, den Grafen von Nassau und den Adligen von Dernbach und von Bicken veranlasst hat, wissen wir nicht mehr. Jedenfalls war um 1325 die Dernbacher Fehde von neuem entbrannt und tobte heftiger denn zuvor.
Der Sage nach soll damals Dillenburg von des Grafen Gegnern erobert und verbrannt worden sein, um bald aber verjüngt wieder aus der Asche zu erstehen. Von Nassau wurden nun alle Kräfte angespannt, um die Gegner niederzuwerfen und die lange Fehde zu einem glücklichen Ende zu führen. Damals gelang es dem Grafen Heinrich I. von Nassau die Burg Dernbach bei Herborn zu erobern, die nun von Grund aus zerstört wurde. Von dieser Zerstörung klagt das hessische Schadenregister: „Zcum ersten, daz dez Grauen aneche vnd syn vadir vnsirme anechin vnd vnsirem herrin vnd vettirn seyligin daz slos Theyrinbach ane gewunnen vnd nydir brochin vnd yre man vnd borgman davon vortirhin virwisetin vnd voerplich machtin vnd vnsir aldryn vnd yre borgman dar milde zcu koyst vnd zcu schadin drungin hohir dan hundirt thusint schill tornoss“. Es hatte also nach dem Schadenregister Graf Heinrich I. von Nassau und sein Sohn Otto dem Landgrafen Otto dem Schütz (der 1328 starb) und seinem Mitregenten von 1320 an, dem Landgrafen Heinrich II., dem Eisernen, die Burg Dernbach abgenommen und gebrochen. Die Zerstörung von Dernbach muß also in der Zeit von 1320 bis 1328 geschehen sein; sie wird um 1325 zu setzen sein.
Nach der Zerstörung der Burg Dernbach um 1325 muß es dem Grafen Heinrich I. von Nassau bald auch gelungen sein, die Landgräfliche Burg Wallenfels mit Waffengewalt in seinen Besitz zu bringen und sich dort dauernd festzusetzen; wurde doch später, wie wir noch genauer hören werden, als 1333 die Dernbacher Fehde schließlich beendet war, im
folgenden Jahre der glückliche Besitzer der Burg mit ihr von dem Landgrafen Heinrich II. dem Eisernen belehnt. Hessen, das damals seine festen Stützpunkte in dem Kampf gegen Nassau durch die Verluste von Dernbach und Wallenfels eingebüßt hatte, sah sich daraufhin zu einem neuen Burgbau in unserer Gegend genötigt. Das hessische Schadenregister von 1377 und 1378 erzählt davon: „Item schuldigin wir den Grauen, daz syn aneche vnd vadir vnsirn anechin vnd vnsirn herrin vnd vettirn seligin darzcu drüngin mit vnrechtir gewalt daz sy den Hessinwalt buwin mustin, also als sy der herschffte von Hessen man warin vnd dar mide drungin sye sye zcu koystin vnd schadin hohir dan XII thüsint (1200000) schill tornoss“.
Es waren also wieder die im Schadenregister bei der Zerstörung von Dernbach angeführten Otto der Schütz (Landgraf Hermanns des Gelehrten Großvater) und dessen Mitregent von 1320 an Heinrich II. der Eiserne (Landgraf Hermanns Vaterbruder). Der Hessenwald wird demnach um 1326 erbaut worden sein. Wo aber lag diese Burg „Hessinwalt“? Der einzige Berg in unserer Gegend, der noch deutliche Spuren einer mittelalterlichen Befestigung zeigt, wie Wallgraben und Fundamentreste mit Mörtel, ist der sog. „Schlossberg“ bei Roth im Kreise Biedenkopf – heute Lahn-Dill-Kreis-. Die alte Sage geht von diesem Berg, dass hier einst die Herren der ganzen Gegend gehaust hätten. Auch wird heute noch hier und da der Berg „Hessenwald“ genannt, und sein Abhang nach Steinrücken zu heißt im Volksmund „Hessenloch“ und „Hessehauberg“. Schließlich sei auch erwähnt, dass die Rother Einwohner noch heute behaupten, ihr Ort habe früher Hasso geheißen. Stimmt dies auch nicht, denn die Mittelalterlichen Urkunden, wie auch das bickensche Mannbuch, kennen nur ein „Rodde“, so ist es doch wohl die dunkle Erinnerung, dass die über ihrem Ort einst thronende Burg den Namen „Hessenwald“ geführt hat.
Obendrein war der „Schlossberg“ für die Hessen im Kampf gegen Nassau und zur Unterstützung ihrer verbündeten Adligen ein sehr geeigneter Punkt. Von hier aus, wo man von der Bergespitze weit in das Ebersbacher Gerichtsgebiet hineinschaut, konnte den Herrn von Bicken dort bei einem nassauischen Angriff schnelle Hilfe gebracht werden. Den Ganerben von Dernbach freilich konnte die neue landgräfliche Burg Hessenwald nicht viel mehr nützen. Sie war zu weit von Aartal entfernt, und darum konnten die Dernbacher bei feindlichen Einfällen, die „Nahme“ und „Brand“ brachten, auf schnelle Hilfe von Hessen nicht mehr hoffen. Damals hatte Graf Heinrich I. von Nassau an dem Ritter Heinrich von Obynrade und dessen Eidam Guntram von Hatzfeld in der Dernbacher Fehde Bundesgenossen, wie wir aus einer Urkunde vom 28. August 1337 erfahren, in der diese beiden dem Grafen über 65 Mar, die der Graf ihnen für ihre zu Herborn im Kriege gegen die von Dernbach geleisteten Dienste schuldete, quittierten.
Das Ende der Fehde war gekommen; die Nassauer Grafen hatten den Sieg errungen. Wohl trotzigen Herzens haben die Ganerben von Dernbach die Hand zum Frieden mit ihren nassauischen Landesherrn geboten, und am 21. Mai 1333 wurde dann durch einen Vertrag die fast ein volles Jahrhundert lange Fehde beendet. Vermittler bei dem Friedensschluß war der Edelherr Dietrich Herr zu Heinsberg und Blankenberg. Nach dem Vertrag verkauften die Ganerben alle ihre Rechte in der Stadt und Mark Herborn, sowie an den Waldungen Schelderwald, Hörre, Eberhard, und Schuppach, Gericht, Fischerei und Wildbann und alle ihre Leibeignen in des Grafen Gebiet demselben für 4000 Mark Pfennige. Dagegen behielten die Verkäufer ihre Kirchsätze (Patronatsrechte) und außerdem 13 Höfe in den Orten
Dernbach, Stippach, Bicken, Merkenbach, Offenbach und Munzenbach unter gewissen Bedingungen.
Einige Streitigkeiten, die in den nächsten Jahren wegen dem Kirchensatz zu Offenbach, dem Hainmedum (Zehnten) zu Bicken, den Leibeignen der Herrn von Dernbach überhaupt und im Kirchspiel Ebersbach, den 13 Höfen („Stadilhoben“) der von Dernbach, dem Vogtgut Sribirshusen, den Lehen zu Eiershausen und der Fischerei im Graben zu Dernbach
entstanden waren, wurden in einer Urkunde vom 30. Juli 1342 entschieden. Erwähnt sei noch, dass über hundert Jahre später am 21. April 1486 Heidenrich von Dernbach an Nassau gegen eine ganz geringe Vergütung („fünfzig gülden Herborner Werung und sechziehn ellen siden duchs von Sameth“) alle seine Leibeignen im Nassauischen abtrat und die Bewohner seiner Höfe dem Besteuerungsrecht und der Dienstbarkeit der Nassauer Grafen unterstellte.
Dem Dernbacher Frieden von 1333 folgte bald darauf der Friede mit den Herrn von Bicken, dessen Vermittler Graf Siegfried von Wittgenstein war. Nach dem Vertrag vom 21. Mai 1336 bekunden die Gevettern von Bicken, dass sie „um allin den Kryk unde um alle dy ansprache, dy si zu uns unde wir zu en bis her hattin“ gütlich verglichen seien und dass sie dem Grafen Heinrich von Nassau „alle dy herschaf unde dy lude dy wir bis her hattin in der Herbirre marke unde was wir rechtis inne uns annamin an holze, an wazzere, an weyde, an felde“ und an der Burg Hainchen (ausgenommen ihre Höfe und Gülten in Bicken und Herbornselbach und den Patronatsrechten dort) für 800 Mark verkauft hätten. 600 Mark sollen in bestimmten Terminen bezahlt werden; für den Rest von 200 Mark solle der früher (1325) vom Grafen angekaufte Anteil am Ebersbacher Gericht und den Gütern der Adligen von dem Hain dort ihnen zustehen. Sie sollen aber das Ebersbacher Gericht, nachdem Graf Heinrich bewiesen habe, dass er die Lehnshoheit darüber von den Herrn von Molsberg gekauft habe, von den Grafen von Nassau zu Lehen nehmen. So hatten die Grafen von Nassau nach der Sühneurkunde mit den Gevettern von Bicken in der Herborner Mark wohl gewonnen, aber im Gericht Ebersbach hatten sie verloren; hier blieb ihnen eigentlich nur die Lehnsherrlichkeit. Erst über ein Jahrhundert später 1486 ist es
ihnen gelungen, auch das Gericht Ebersbach in ihren Besitz zu bringen.
Auszug aus: Burgfahrten an der alten Grenze – Hessen und Nassau – von Karl Nebe, Pfarrer zu Bergebersbach